Auftaktveranstaltung der LGBTIQ-Intergroup im Parlament unter dem Motto „Ohne Vielfalt keine Demokratie!“

Am 11. April 2023 wurde die LGBTIQ-Intergroup im Rahmen eines Empfangs mit kurzem Programm vorgestellt. Bericht und Einschätzung von Claudia Bergermayer, FZ, Radikalfeministinnen Wien

— Ende Vorschau —

Am 11. April 2023 wurde die LGBTIQ-Intergroup im Rahmen eines Empfangs mit kurzem Programm vorgestellt. Die Einladung war als eine Art Vernetzungstreffen an „Stakeholder“ und alle Interessierten gerichtet. Zirka 120 Personen waren anwesend.
Die Abkürzung LGBTIQ steht für lesbisch, schwul (gay), bisexuell, transgender, intersexuell und queer (oder questioning).

Moderation und Gesang: Grazia Patricia, Drag Queen

Diese Arbeitsgruppe will auf überparteilicher Ebene den Austausch zwischen Politik und LGBTIQ-Community, die in einigen öffentlich subventionierten Vereinen organisiert ist, fördern. Ihr erklärtes Ziel ist die Verbesserung der Lebenssituation von Lesben, Schwulen, bisexuellen, transidenten, intergeschlechtlichen und queeren Menschen. Die Gründung datiert aus Juli 2022 mit der Ankündigung „echter Fortschritte“ für die „Community“. Sie steht allen Abgeordneten zum Nationalrat, den Bundesräten und den österreichischen Mitgliedern des Europäischen Parlaments offen. Zu Beginn jeder Gesetzgebungsperiode soll sie neu konstituiert werden. Als Vorbild gelten ähnliche Gruppen im EU-Parlament.

Am Podium sprachen:

Alexis Wintoniak, Parlamentsvizedirektor

Ewa Ernst-Dziedzic, GRÜNE
Mario Lindner, SPÖ
Yannick Shetty, NEOS
Valerie Lenk, Transperson im Vorstand der Grünen Frauen* Wien
Joe Niedermayer, Vorsitzender RosaLila PantherInnen Steiermark
Ann-Sophie Otte, HOSI
Tinou Ponzer, VIMÖ – Verein Intergeschlechtlicher Personen

Moderation und Gesang: Grazia Patricia, Drag Queen

Blick aufs Podium

Bekräftigt wurde die Notwendigkeit der Arbeitsgruppe und die Zusammenarbeit zwischen Politik und Community, um sich gemeinsam gegen Angriffe von rechts zu stellen. Anlass ist die Mobilisierung der FPÖ und Anderer gegen Kinderbuchlesungen von Drag Queens in Wien.
Neben Erfolgen wie der „Ehe für alle“ und der 2022 längst überfälligen Aufhebung des Blutspendeverbotes für schwule Männer fanden in den Beiträgen der einzelnen Vertreter das geplante „Levelling Up“ (Antidiskriminierungsgesetze im privatrechtlichen Bereich) ebenso Erwähnung wie das Verbot von Zwangsoperationen bei intersexuellen Kindern oder dem Verbot von „Konversionstherapien“ (Siehe auch unseren Beitrag Konversionstherapieverbotsgesetz). Dabei wurde jedoch nicht dezidiert auf historisch bekannte „Umpolungsversuche“ bei Lesben oder Schwulen eingegangen. Damit darf angenommen werden, dass diese damit auch nicht gemeint waren.

von links: Nationalratsabgeordneter Mario Lindner (SPÖ), Nationalratsabgeordneter Yannick Shetty (NEOS), Nationalratsabgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic (GRÜNE), Drag Queen Grazia Patricia

Mario Lindner und Yannick Shetty ließen politische lesbischwule Momente, wie das Outing der ersten offen lesbischen Nationalratsabgeordneten Ulrike Lunacek aufleben. Der fulminante Triumph der Drag Queen Conchita Wurst bei einem historischen Eurovision Song Contest wurde als besonders gute Zeit hervorgehoben.
Ewa Ernst-Dziedzic betonte, dass alle Buchstaben in LGBTIQ „gleich wichtig“ seien und auf „niemanden vergessen“ werden dürfe.

Foto – Copyright: Parlamentsdirektion/Ulrike Wieser
von links: Nationalratsabgeordneter Mario Lindner (SPÖ), Nationalratsabgeordneter Yannick Shetty (NEOS), Nationalratsabgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic (GRÜNE), Drag Queen Grazia Patricia

Nun ja.
„Vergessen“ wurde jedoch tatsächlich auf die Lesben: Diese blieben nämlich (als einzige) gänzlich unerwähnt. Als lesbische Frau kann das Signal für mich nur eines sein: Lesben sollten ihre Erwartungen an diese Arbeitsgruppe nicht allzu hochstecken. Nach dem, was ich gehört – oder besser gesagt: NICHT gehört habe – habe ich keinen Anlass anzunehmen, dass es in der Arbeitsgruppe Vertreterinnen und Vertreter meiner Anliegen gibt.
Schwule Männer können ihrer Repräsentierung zumindest durch die Klarheit der anwesenden schwulen Politiker sicher sein. Transfrauen erlangen durch Valerie Lenk im Vorstand der Grünen Frauen* Wien auch politisch Sicht- und Hörbarkeit. Die direktere Zusammenarbeit zwischen Politik und VIMÖ geben auch intergeschlechtlichen Menschen Grund zur Hoffnung auf die Umsetzung ihrer Anliegen.

Allein: Die Bilanz dieses ersten Auftretens der „LGBTIQ-Intergroup“ für Lesben sieht aus meiner Sicht düster aus. In dem von dieser Arbeitsgruppe versprochenen Versuch der demokratischen Abbildung und Vertretung von Minderheiten – entsprechend der oft betonten „Vielfalt“ der Gesellschaft – sind Lesben wieder einmal nicht vorgesehen. Und dabei würde es genau diese Repräsentanz für die Möglichkeit einer Identität vor allem junger Lesben dringend brauchen. Schließlich sind sie damit konfrontiert, dass lesbisch „old school“ oder Homosexualität „transphob“ ist oder sie „eigentlich“ Transmänner sind.

Unterm Strich blieb es bei Ankündigungen, Beschwörungen und allgemein gefassten Willenserklärungen. Eine offene Diskussion fand nicht statt, lediglich zum Abschluss der informelle Austausch bei Prosecco und bunten Brötchen.

Fußnote: Wir erinnern uns: Sowohl Ann-Sophie Otte als auch Ewa Ernst-Dziedzic haben sich in öffentlichen Stellungnahmen klar gegen die Forderung von Faika El-Nagashi positioniert, dass eigene Frauen- und Lesbenräume erhalten (und für Transpersonen welche geschaffen) werden müssten.

Anmerkung der EGGö Redaktion:
Seit 2020 besteht die „Österreichische Parlamentarische Gruppe für Sexuelle und Reproduktive Gesundheit und Rechte“. Sie ist überparteilich, besteht zurzeit aus 20 Nationalratsabgeordneten, einem Mitglied des Bundesrates und 2 EU-Parlamentarierinnen.
Diese Gruppe ist als Mitglied des European Parlamentary Forum for Sexual & Reproductive Rights (EPF) international und national über die Österreichische Gesellschaft für Familienplanung (ÖGF) bestens vernetzt. Sie verfügt über jahrelange Expertise und funktionierende Strukturen. Dort sind die inhaltlichen Arbeitsbereiche der LGBTIQ-Intergroup bestens integrierbar, einmal ganz abgesehen von personellen Überschneidungen.
Symptomhaft, dass die Queersprecher des Nationalrates eine separate Gruppe gegründet haben, die sich ausschließlich mit den Partikularinteressen der LGBTIQ-Community befassen möchte, anstatt die Themen in einem gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang zu bearbeiten.
Was außerdem auffällt: Die LGBTIQ-Intergroup ist ganz offensichtlich NICHT die erste fraktionsübergreifende Arbeitsgruppe des Österreichischen Parlaments, als die sie vorgestellt wurde. Wir fragen: Ist es Vergesslichkeit oder Absicht?

Webseite Parlamentarische Gruppe der ÖGF: https://oegf.at/ueber-uns/taetigkeiten/advocacy/appg/
Instagram: @parlaandsex_at

Musikalische Einlage: Drag Queen Grazia Patricia, Blick in Richtung Publikum

Copyright: Parlamentsdirektion/Ulrike Wieser

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