Die Presse: Gastbeitrag zum Konversionstherapieverbot

Da läuten die Alarmglocken! Stellungnahme zu den Plänen der Grünen, ein Konversionstherapieverbot per Gesetz einzuführen. Erschienen in: Die Presse – 08.03.2023 von Bettina Reiter

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Da läuten die Alarmglocken!

Stellungnahme zu den Plänen der Grünen, ein Konversionstherapieverbot per Gesetz einzuführen.

Erschienen: Die Presse – 08.03.2023 um 16:32
von Bettina Reiter
Die Autorin: Dr. Bettina Reiter ist Fachärztin für Psychiatrie, Psychoanalytikerin in Wien.

Wie zuletzt der Medienberichterstattung zu entnehmen war, liegt ein ausgearbeiteter Gesetzesentwurf der Ministerien für Soziales und Justiz vor, das ein Verbot von sogenannten Konversionstherapien vorsieht.

Die Zuschreibung „Therapie“ ist in diesem Zusammenhang irreführend. Die hier gemeinten Manipulationstechniken gehen davon aus, dass Homosexualität eine Krankheit ist (eine Auffassung, die sich nicht nur in katholisch fundamentalistischen Kreisen findet, sondern auch in anderen starr religiösen Communitys), und haben Verfahren entwickelt, mit denen sie meinen, diese „Krankheit“ heilen zu können. Die sogenannte Hagiotherapie (auch hier ist das Suffix „-therapie“ bestenfalls Wunschdenken) ist ein Beispiel aus dem katholischen Milieu dafür.

Es versteht sich von selbst, dass dies aus einer medizinischen und psychotherapeutischen Sichtweise absurd ist und ein Verbot solcher Praktiken eine ernst zu nehmende Option ist, die gesellschaftlich diskutiert gehört. Zahlen wären dafür von Vorteil, die gibt es aber m. W. nicht. Ob ein Verbot die richtige Maßnahme ist, ist wiederum eine andere Frage. Das Abdrängen in die Illegalität könnte u. U. mehr Schaden anrichten als eine laufende Beobachtung im Lichte der Öffentlichkeit. Allerdings gibt es einen Allparteienbeschluss von 2019, der ein solches Verbot im Anschluss an eine EU-Richtlinie vorsieht. Es besteht also womöglich eine Art Handlungsautomatismus auf parlamentarischer Ebene.

Anders allerdings steht die Sache bei dem ebenfalls mitgeteilten geplanten Verbot von Therapien bei „Geschlechtsidentität“. Hier sollten alle Alarmglocken aller Profis aus dem medizinisch psychotherapeutischen Bereich schrill läuten. Bei dem geplanten Verbot geht es um nicht weniger als die ganz normale psychiatrisch psychotherapeutische Arbeit mit Menschen, die über eine Gender-Dysphorie klagen, seien sie nun Kinder und Jugendliche, seien sie Erwachsene.

Gender-Dysphorie ist ein Zustand, in dem man sich im eigenen Körper und vor allem im eigenen Geschlecht extrem unwohl fühlt und den dringenden Wunsch entwickelt, dem anderen Geschlecht anzugehören. Gender-Dysphorie hat in den vergangenen zehn Jahren sehr stark zugenommen. Leider haben wir nur Zahlen aus UK und den USA, aber dort bewegen sich die Zuwachsraten um die 4000%. Das Phänomen betrifft vor allem Mädchen in der Pubertät und Adoleszenz (82%).

Das geplante Verbot würde bedeuten, dass mit diesen jungen Menschen kein ernsthaftes, offenes therapeutisches Gespräch mehr möglich ist, sondern nur noch die kritiklose Anerkennung des Wunschs nach Geschlechtswechsel. Die Folgen einer solchen – in meinen Augen auch ungesetzlichen – Einschränkung der medizinischen und therapeutischen Kunst lassen sich kaum absehen.
 
Nicht Fehler nachmachen
Therapeuten und Ärzte sollen mit diesem Entwurf zu Abnickern einer politischen Agenda gemacht werden und per Gesetz gezwungen werden, ihren Auftrag zu negieren. Der Auftrag medizinischer wie therapeutischer Berufe ist zuvorderst: Nicht schaden!

In Deutschland gibt es seit 2020 ein Verbot von „Konversionstherapien“, es wurde an den Berufsverbänden der Psychiater und Psychotherapeuten vorbei einfach beschlossen, nun stehen Kinder- und Jugendliche, die ihre Gefühle und Schwierigkeiten mit sich selbst kennenlernen wollen, vor immer mehr verschlossenen Türen. Wir sollten als Gesellschaft imstande sein, die Diskussion um diese Thematik auf der Höhe der Zeit zu führen und nicht alle Fehler nachmachen, die anderswo langsam, aber sicher schon korrigiert werden.

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